„Ein bedauerlicher Zwischenfall“

Die nächste Version ist fertig. Aus den unterschiedlichsten Gründen hat es gedauert, aber hier ist die Version F 0.60Myschkin_F60
Die EBUP-Version folgt in den nächsten Tagen.

„Ein bedauerlicher Zwischenfall“
Im Stück „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade“ von Peter Weiss ereignet sich im 1.Akt in der 14.Szene ein „bedauerlicher Zwischenfall“, wobei man nicht weiß, was am Bedauerlichsten ist:
Der Zwischenfall selbst oder dass Weiss diesen „Zwischenfall“ so auf die Bühne bringt:

„Im Hintergrund wird ein Patient, der sich eine priesterliche Halskrause umgelegt hat, von einem Anfall ergriffen und hüpft auf den Knien nach vorn.

PATIENT überstürzt stammelnd
Betet betet
betet ihn an
Satan der du bist in der Hölle
dein Reich komme
dein Wille geschehe
wie in der Hölle also auch auf Erden
Vergib uns unsere Unschuld
erlöse uns von allem Guten
Führe uns
Führe uns in Versuchung
in Ewigkeit
Amen

Coulmier ist aufgesprungen. Pfleger werfen sich über den Patienten, binden ihn, schleppen ihn nach hinten ab. Er wird unter eine Dusche gestellt.
AUSRUFER schwingt die Holzrassel
Zwischenfälle dieser Art sind nicht zu vermeiden
sie gehören bei uns zum Bild der Leiden
Lassen Sie uns mit Ehrfurcht bedenken
daß jener den sie dort hinten zur Besinnung lenken
einmal als Prediger sehr bekannt
einem berühmten Kloster vorstand
Lassen Sie es als eine Erinnerung gelten
an die Undurchschaubarkeit himmlischer und irdischer Welten

schwingt die Rassel zum Abschluß.
Coulmier setzt sich.
Die Patienten ziehen sich zurück und strecken sich, von Schwestern und Pflegern überwacht, auf den Bänken aus.“

Soweit der „bedauerliche Zwischenfall“. In der nähsten Szene „Fortsetzung des Gesprächs zwischen Marat und Sade“ sagt Sade:
„Um zu bestimmen was falsch ist und was recht ist
müssen wir uns kennen
Ich
kenne mich nicht“

Vielleicht sollten Weiss/Sade die Sache nicht zu hoch hängen: Auch wenn wir uns in einem umfassenden Sinn nicht kennen und vielleicht gar nicht kennen können, wäre doch schon viel gewonnen, wenn wir wenigstens Kenntnisse hätten.

Die absolute Kenntnisslosigkeit mit der Weiss das Thema Epilepsie hier auf die allerdümmste und primitivste Art abhandelt, lässt uns selbst im Nachhinein noch rot vor Scham werden.
Zumal gerade Weiss wusste und wissen musste, dass das „Vergasen“, bevor es in Auschwitz und Maidannek im industriellen Maßstab ausgeführt wurde, in den „Anstalten“ im Technikums-Maßstab an den verschiedenen Sorten von „Idioten“ erprobt wurde.
Natürlich lebt Theater vom Rummel, vom Spektakel.
Die Herkunft vom Jahrmarkt ist offensichtlich und überhaupt keine Schande.
Und natürlich verlangt der Rummel nach dem deutlichen Knalleffekt, nach der „Theatralik“. Es soll donnern und blitzen.
Trotzdem oder gerade deswegen gehört das Verbreiten primitiver und für die Betroffenen potentiell bedrohlicher, ja lebensbedrohlicher Vorurteile nicht zu dem, was dem Theater erlaubt ist.
Dabei geht es nicht um Zensur, sondern um Verantwortung.
Die Verächtlichmachung Schwacher ist eines intelligenten und klugen Menschen unwürdig.
Das Spielen mit Vorurteilen um der Effekthascherei willen, können wir nur aus tiefstem Herzen verachten.
Zumal eine epileptischer Anfall, einfach nur als Anfall dargestellt, durchaus dramatisch und effektvoll ist.
Meistens wirkt er verstörend und erschreckend, auf die Zuschauer.
Das lächerliche Auf-die-Bühne hoppeln, das Weiss zu einem Teil des Anfalls werden lässt, wirkt dagegen nicht erschreckend, sondern lächerlich.
Und die Anrufung des Satans durch den Epileptiker (der auch noch ein gewesener Priester sein soll) ist bloßes Vorurteil.
Allerdings brandgefährlich für jeden Idioten.

Schließlich hat die katholische Kirche den Exorzismus noch in ihrem Repertoire.
Wir erinnern uns, dass in den siebziger Jahren in der Gegend von Würzburg Anneliese Michel, einer Epileptikerin solange der Teufel ausgetrieben wurde, bis sie qualvoll gestorben war.
Und wir wissen auch, dass damals noch ein Theologieprofessor in Würzburg lehrte und seinen Bischof beriet, der später zum Haupt der Inquisition und sogar der ganzen katholischen Kirche wurde.
Damit ist und bleibt die Verknüpfung von Epilepsie und Teufel gefährlich, mitunter lebensgefährlich für EpileptikerInnen.
Von Peter Weiss hätte man erwarten können, dass er das weiß.

Der Fall der Anneliese Michel
Aus der Wikipedia erfahren wir dazu folgende Geschichte:
„Ab 1959 besuchte Anneliese Michel die Volksschule in Klingenberg, zur 6. Klasse wechselte sie an das Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium in Aschaffenburg, wo sie als hochintelligent galt, aber wegen nervlicher Probleme auffiel.
So biss sie sich im Jahr 1968 bei einem Krampfanfall in die eigene Zunge, woraufhin bei ihr eine generalisierte Epilepsie mit Anfällen vom Typ Grand Mal diagnostiziert wurde, wogegen sie antikonvulsive Mittel erhielt.
Anneliese Michel ging mehrmals wöchentlich zur Messe, betete regelmäßig Rosenkränze, schlief zur Sühne manchmal auf dem Fußboden. Sie war Mitglied im Sportverein und erhielt Klavier- und Akkordeonunterricht.
Nach einer Mandeloperation, einer Rippenfell- und anschließender Lungenentzündung erkrankte sie an einer Lungentuberkulose. Sie hielt sich deswegen im Jahre 1970 sechs Monate in der Lungenheilanstalt von Mittelberg im Allgäu auf.
Anneliese war außergewöhnlich gut in der Schule und hatte den Wunsch, Lehrerin zu werden. Ihre Eltern unterstützten sie in diesem Vorhaben. Nach ihrem Abitur im Jahr 1973 studierte sie ab dem Herbst desselben Jahres an der Pädagogischen Hochschule in Würzburg. Sie wohnte im Ferdinandeum, dem katholischen Wohnheim der PH.
Beim Besuch verschiedener Ärzte wurde eine Temporallappenepilepsie diagnostiziert und mit dem Antikonvulsivum Carbamazepin behandelt. Eine eingehende psychiatrische Untersuchung mit psychopathologischem Befund fand anscheinend nie statt. So ist unklar, ob sie zusätzlich noch an einer psychischen Krankheit litt (z. B. einer neuronalen Störung wie Trance- und Besessenheitszustand ICD 10 F 44.3). Sie starb 1976 an den Folgen von Unterernährung und Entkräftung. Bei der Obduktion wurde eine Lungenentzündung festgestellt. Eine pathologische Veränderung im Schläfenlappenbereich ließ sich nicht feststellen, allerdings ist dies kein Beweis dafür, dass sie keine Epilepsie hatte. In den letzten Monaten ihres Lebens war mit Genehmigung des Würzburger Bischofs Josef Stangl von Pater Arnold Renz († 1986) und Pfarrer Ernst Alt der Große Exorzismus nach dem Rituale Romanum durchgeführt worden. Schon mehrere Jahre lang hatte sie auffallend wenig gegessen und in den letzten Monaten schließlich jegliche Nahrungsaufnahme verweigert. Bei ihrem Tod wog sie nur noch 31 kg. Pfarrer Alt nahm daraufhin selbst mit der Staatsanwaltschaft in Aschaffenburg Kontakt auf.
Anneliese Michel brachte sich nach den Aussagen der Anwesenden schwere Verwundungen bei, darunter Blutergüsse im Bereich beider Augen. In den letzten Wochen ihres Lebens wurde sie zeitweise ans Bett gefesselt, um schlimmere Verletzungen zu verhindern. Darüber hinaus ist noch von abgebrochenen Zähnen und Wundmalen die Rede, die an Körperstellen aufgetreten waren, wie sie häufig mit Jesus Christus in Verbindung gebracht werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach beruhen sämtliche Verletzungen auf Selbstgeißelungen oder unkontrollierten Handlungen während spontaner Anfälle. Sie sind auf mehreren Fotos dokumentiert.
Befreundete Kommilitoninnen berichten, dass Anneliese schon im Studentinnenwohnheim einer Rosenkranzgebetsgruppe angehörte. Als sich ihr Zustand verschlimmerte, hätten diese das Herbeirufen eines Notarztes verhindert und stattdessen einen Exorzisten geholt, der sich als Annelieses Hausarzt ausgegeben habe; somit habe Anneliese schon in einem verhältnismäßig frühen Stadium ärztliche Hilfe gefehlt.
Aus Tonbandaufzeichnungen geht hervor, dass Anneliese Michel mit stark veränderter Stimme sprach und immer wieder spontane Schreie ausstieß. Sie benutzte grob unflätige Ausdrücke, welche die Exorzisten Dämonen zuschrieben. Auch menschliche Dämonen, die sich als Hitler oder Nero ausgegeben hätten, wollen die Priester bei dem Mädchen ausgemacht haben.
Im Gerichtsverfahren, das als der Aschaffenburger Exorzismus-Prozess weltweit bekannt wurde, beantragte die Staatsanwaltschaft am 19. April 1978 die Bestrafung der Angeklagten wegen „fahrlässiger Tötung durch Unterlassung“. Die Priester sollten eine Geldstrafe erhalten, für die Eltern wurde kein Strafmaß gefordert, da sie am Verlust der Tochter schon schwer genug zu tragen hätten. Richter Elmar Bohlender folgte diesem Antrag nicht, sondern verurteilte sowohl die Eltern als auch Pater Renz und Pfarrer Alt am 21. April 1978 zu je sechsmonatigen Haftstrafen, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Das Gericht warf ihnen vor, sie hätten für medizinische Hilfe sorgen und einen Arzt hinzuziehen müssen.
Am 25. Februar 1978 fand eine Exhumierung der Toten statt. Als Grund gaben die Eltern an, Anneliese hätte in großer Eile in einem billigen Sarg bestattet werden müssen, jetzt wolle man sie in einen mit Zink ausgeschlagenen Eichensarg umbetten. Im Hintergrund stand aber vermutlich auch die Behauptung einer Nonne aus dem Allgäu, Anneliese sei ihr erschienen. Sie hätte angekündigt, ihr Körper sei bisher unverwest. So würde die übernatürliche Natur des Geschehenen belegt. Das offizielle Ergebnis der Exhumierung lautete aber auf eine dem Zeitrahmen entsprechende Verwesung. Von den Angeklagten hat sie niemand gesehen. Pater Renz sagte, er sei am Betreten der Leichenhalle gehindert worden.“

Das Nachleben der Anneliese Michel

Im Internet finden sich unter dem Stichwort „Anneliese Michel“ zahlreiche Seiten, die vor allem eines beweisen:
Dass die religiösen Fanatiker über ihre Untaten keinerlei Reue empfinden !
In einem der „Wikipedia“ nach empfundenen „Kathpedia“ erfahren wir folgendes:
„Das Exorzitat (Exozist) ist die zweite Niedere Weihe zum Priestertum in der außerordentlichen Form des römischen Ritus. Sie entfiel im ordentlichen römischen Ritus durch das Motu proprio Ministeria quaedam vom 15. August 1972 des Papstes Paul VI. über die Reform der Weihestufen in der lateinischen Kirche.
Das Wort Exorzismus kommt aus dem Griechischen. Man versteht darunter einen im Namen Gottes an den Teufel gerichteten Befehl, einen Menschen oder einen Gegenstand zu verlassen und ihm nicht zu schaden. In einer Zeit, in der sogar Christen den Teufel leugnen und andererseits der Satanismus in erschreckendem Ausmaß ständig neue Blüten treibt, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass sowohl die Existenz des Satans als auch einer ewigen Hölle sicheres katholisches Glaubensgut ist [vgl. KKK 391 und 1035].
Der Exorzistendienst hat sich in der frühen Kirche als ein eigenes Amt herausgebildet. Wenn auch die Kirche später das Recht, Exorzismen vorzunehmen, stark eingeschränkt hat, so hat sie doch die Exorzistenweihe als Vorstufe zum Priestertum beibehalten. Der Exorzist erhält Anteil an der priesterlichen Gewalt, das Böse zu bannen. Sie wird verliehen als eine potestas ligata, d. h. als eine zwar reale, aber gebundene Gewalt. Um sie auszuüben bedarf es nach geltendem Kirchenrecht einer besonderen und ausdrücklichen Erlaubnis des Ortsbischofs [vgl. CIC Can 1172 § 1).
(www.kathpedia.de/index.php?title=Exorzist )“

Die Autoren scheinen gar nicht zu begreifen, dass es ein Unterschied ist, ob man an die Existenz des Bösen glaubt (und es als „Satan“ personifiziert) oder ob man behauptet, dass jemand vom Teufel besessen ist.
Es ist ein Verbechen, auch im christlichen und katholischen Sinn, wenn man Kranke, statt ihnen zu helfen, als vom „Teufel besessen“ diffamiert.
In der gleichen „Kathpedia“ wird übrigens die Verurteilung der Eltern und des Exorzisten als „Schauprozess“ abqualifiziert.
So als sei es eine lässliche Sünde jemand verhungern zu lassen.

Paradigmatisch für das fehlende schlechte Gewissen ist auch die Abhandlung eines Herrn Christian Sieberer: Kommentar zum „Fall Klingenberg“, Anneliese Michel. „Der Autor ist römisch-katholischer Priester.“ heißt es dazu im Wikipedia-Artikel zu Anneliese Michel.
Bei Herrn Sieberer finden wir folgendes:
„In der Presseerklärung zum „Fall Klingenberg“, die Kardinal Josef Höffner, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am 28. April 1978 veröffentlichte, bestätigte der höchste Vertreter der katholischen Kirche Deutschlands die grundsätzliche Möglichkeit einer dämonischen Besessenheit, indem er schrieb
„Die katholische Theologie hält an der Existenz des Teufels und dämonischer Mächte fest. Es besteht auch für den Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts kein Grund, das Wirken Satans und böser Geister in unserer Welt zu leugnen oder die Aussagen darüber als absurd zu empfinden. Die Kirche lehrt in ununterbrochener Tradition, dass Gott unsichtbare Wesen mit Erkenntnis und Willen erschaffen hat. Einige wandten sich aus freier Entscheidung gegen Gott als den Urheber alles Guten und wurden böse. Die Kirche ist ferner der Überzeugung, dass diese bösen Geister auch einen unheilvollen Einfluss auf die Welt und den Menschen auszuüben versuchen. Diese Einwirkung hat viele Formen. Eine dieser Formen kann die Besessenheit sein.“

Zeitgeist

Der einzigartige rund um den so genannten „Aschaffenburger Exorzistenprozess“  machte auch die Früchte zweier damals aktueller Werke sichtbar: „Abschied vom Teufel“ von Herbert Haag und „Der Exorzist“ von William Friedkin. Die von den Medien kolportierte öffentliche Meinung rechnete nicht mehr mit der Existenz des Teufels, und die von hohen Vertretern der katholischen Kirche veröffentlichten Schreiben ließen erkennen, dass viele Würdenträger dies höchstens nur mehr in der Theorie taten. Einig waren sich diese beiden Seiten vor allem in der negativen Beurteilung eines durch Jahrhunderte bewährten Rituals der größten Glaubensgemeinschaft der Welt, des Exorzismus der katholischen Kirche.“
Zitiert aus Christian Sieberer: Kommentar zum „Fall Klingenberg“, Anneliese Michel. Der Autor ist römisch-katholischer Priester.

Ob Leute, die uns die persönliche Existenz von Dämonen und Teufeln verkaufen wollen, überhaupt einen angemessenen brauchbaren Begriff des ohne jeden Zweifel realen Bösen haben, darum geht es im folgenden Kapitel.

Vom Bösen

Gut und Böse sind elementare Gegensatzpaare, genau so elementar wie hell und dunkel, hungrig oder satt, richtig oder falsch, süß oder sauer.
Die Selbstverständlichkeit mit der wir diese Begriffe benutzen, verdeckt aber nur wie wenig selbstverständlich sie sind.
Speziell meine Generation (ich bin Jahrgang 1952) war mit einer ganzen Genaration von Erwachsenen konfrontiert, deren Moral streng unterteilt war in die Zeit vor und nach 1945. Vor 45 war der Gehorsam gegenüber dem „Führer“ ein unter Umständen über Leben und Tod entscheidendes Kriterium für „Gut“ und „Böse“. „Gut“ war, was dem nationalsozialistischen Staat und dem „Führer“ nützte und gefiel, „böse“ und todeswürdig war es gegen beide zu rebellieren.
Nach 45 mussten diese Menschen lernen, dass sie nur gut gehandelt hätten, wenn sie nach „alten“ Maßstäben „böse“ gehandelt hätten.
Wobei es auch ein vor 33 gegeben hat, als die nationalsozialistischen Werte noch nicht galten.
Diese zweimalige Umwertung aller Werte lies spätestens in unserer Pubertät unsere Erzieher in unserer Sicht zu verachtenswerten Kretins schrumpfen.
Inzwischen haben wir genügend Sauereien gut geheißen um von unserem hohen Ross ab zu steigen.
Um so dringender stellt sich allerdings das Problem wie wir Moral neu definieren, wenn die alten Lehrer und ihre Lehren so offenkundig versagt haben und unsere jugendlichen Schnellschüsse auch nicht besser waren.
Traditionell unterscheiden wir in unserer Kultur zwischen dem „bösen“ Tier, das seinen Trieben folgt und dem „zivilisierten“ „guten“ Menschen, der seine Triebe beherrscht.
Das „Böse“ wäre demnach in den Trieben zu Hause. Dass wir essen wollen, wenn wir Hunger haben und so wenig warten wollen, wie der Säugling, der sofort nach der Mutter schreit, wäre demnach eine Quelle des „Bösen“.
Dass wir trinken wollen, wenn wir durstig sind, auch.
Und ganz besonders schlimm: Dass wir bei einem hübschen, runden Hintern Lust verspüren, ist gewissermaßen der Gipfelpunkt jeglicher Sünde.
Was ist aber böse daran satt werden zu wollen ?
Und stehen nicht Tiere (jedenfalls die meisten) sowie so jenseits von Gut und Böse ?
Die Selbstverständlichkeit mit der Freud das „Es“ als zu zähmendes, triebhaftes potentiell böses Tier in uns sah und das von den erwachsenen Erziehern geformte „Über-Ich“, das Gewissen, als die Instanz, die das Tier kontrollieren muss, damit wir nicht in Mord und Todschlag enden, erweist sich angesichts der Orgie des Bösen im 20 Jahrhundert als gefährlicher Aberglaube.
Die Massenmörder mordeten mit einem erstaunlich guten Gewissen.
Zur katholischen Tradition gehört die Lehre von den 7 Todsünden.
In der Wikipedia lesen wir dazu folgendes:
„Todsünde

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Todsünde (Begriffsklärung) aufgeführt.

Hieronymus Bosch (1450–1516): Die Sieben Todsünden; in den Ecken: Die vier letzten Dinge
Mit dem Begriff Todsünde (peccatum mortiferum) werden im Katechismus der Katholischen Kirche bestimmte, besonders schwerwiegende Sünden bezeichnet.
Davon grenzt die katechetische Tradition der römisch-katholischen Kirche die „lässliche Sünde“ als minderschweres, geringfügiges Vergehen ab. Bestimmte Vergehen bilden als „himmelschreiende Sünden“ eine Unterkategorie der Todsünde, die als Steigerung wahrgenommen wird.
Den Todsünden werden die Haupttugenden gegenübergestellt.[1]

Inhaltsverzeichnis
Definition
Damit eine Sünde als schwer zu beurteilen ist, muss sie drei Voraussetzungen erfüllen:[2]
Sie muss eine schwerwiegende Materie, insbesondere einen Verstoß gegen die zehn Gebote, zum Gegenstand haben; traditionell werden Ehebruch, Mord oder Apostasie (= Glaubensabfall) genannt.
Der Sünder muss die Todsünde „mit vollem Bewusstsein“ begehen, die Schwere der Sünde also bereits vorher erkennen.
Die Sünde muss „mit bedachter Zustimmung“ (also aus freiem Willen) begangen werden.
Papst Johannes Paul II. konkretisierte den Begriff Todsünde im Apostolischen Schreiben über Versöhnung und Buße in der Kirche Reconciliatio et paenitentia aus dem Jahr 1984 wie folgt:
Die Lehre der Kirche nennt „denjenigen Akt eine Todsünde, durch den ein Mensch bewusst und frei Gott und sein Gesetz sowie den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht, sich sich selbst[3] zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen und endlichen Wirklichkeit, irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht“.[4]
Insgesamt kommt in der Todsünde eine Abkehr von der in der Sündenvergebung durch die Taufe begründeten Gemeinschaft mit Gott zum Ausdruck. Für die erneute Vergebung der persönlichen Schuld ist aber keine weitere Taufe erforderlich, sondern es genügt die vollkommene Reue, also die bewusste Hinwendung zur Liebe Gottes. Im Bußsakrament, der Beichte, ist dem Büßer die Vergebung von Todsünden überdies auch ohne Gewissheit über die Vollkommenheit der Reue zugesagt.
Abgrenzung zum Laster
Sünden entstehen nach der klassischen Theologie aus sieben schlechten Charaktereigenschaften:
Superbia
Hochmut (Eitelkeit, Stolz, Übermut)
Avaritia
Geiz (Habgier)
Luxuria
Wollust (Ausschweifung, Genusssucht, Begehren)
Ira
Zorn (Wut, Rachsucht)
Gula
Völlerei (Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht)
Invidia
Neid (Eifersucht, Missgunst)
Acedia
Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Trägheit des Herzens)
Diese Charaktereigenschaften werden als Hauptlaster bezeichnet. Sie sind die Ursache vieler Sünden und können sowohl zu schweren als auch zu lässlichen Sünden führen. Da die Hauptlaster Ursache und somit Wurzel von Sünden sind, werden sie gelegentlich auch als „Wurzelsünden“ bezeichnet; auch der Begriff „Hauptsünde“ ist gebräuchlich.
Verwirrend und theologisch falsch, aber umgangssprachlich gebräuchlich ist die Bezeichnung der sieben Hauptlaster als „sieben Todsünden“; sie sind zwar durchaus auch selbständige Sünden, Todsünden sind aber – sogar der Materie nach, also auch ohne Berücksichtigung der „mildernden Umstände“ Wissens- und Willensmangel – nur einige davon und dann auch meist nur in ihrer vollen Ausprägung.
Erstmals findet sich eine solche Kategorisierung von menschlichen Lastern bei Euagrios Pontikos Ende des 4. Jahrhunderts. Er benennt acht negative Eigenschaften, von denen die Mönche heimgesucht werden können. Invidia gehörte für ihn nicht dazu, aber zusätzlich zu den oben genannten Vana Gloria (Ruhmsucht) und Tristitia (Trübsinn). Papst Gregor I. († 604) ordnete Trübsinn der Acedia zu, die Ruhmsucht dem Hochmut und fügte dem Sündenkatalog den Neid hinzu.
Schon damals wurden den Hauptlastern bestimmte Dämonen zugeordnet, am weitesten verbreitet ist jedoch die Zuordnung des Peter Binsfeld aus dem 16. Jahrhundert. Diese ordnet Luzifer den Hochmut, Mammon den Geiz, Leviathan den Neid, Satan den Zorn, Asmodeus die Wollust, Beelzebub die Völlerei und Belphegor die Faulheit zu.
Seit der mittelalterlichen Theologie werden den Hauptlastern häufig die Kardinaltugenden gegenübergestellt, die verschiedene Teil-Tugenden zusammenfassen. Zahlreiche Kirchenväter und Theologen befassten sich mit den Hauptsünden und trugen auch zu ihrer Systematisierung bei. Papst Gregor I. stellte ihnen etwa die „Sieben Gaben des Heiligen Geistes“ gegenüber.
Im Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche aus dem Jahr 1992 wird als erste Hauptsünde nicht Hochmut, sondern Stolz genannt.
Theologische Konsequenzen
Nach der Lehre der katholischen Kirche zieht die (schwere) Sünde den zweiten Tod, die Höllenstrafe nach sich, wenn man ohne vollkommene Reue und Buße stirbt. Die Vergebung der Todsünde kann nur im Bußsakrament oder durch vollkommene Reue (d. h. Reue aus Liebe zu Gott) erreicht werden. Die vollkommene Reue muss den Wunsch enthalten, das Bußsakrament und die Absolution (s. u.) zu empfangen. Auch der Empfang der heiligen Kommunion ist als unwürdig verboten. In der persönlichen Beichte spricht die Kirche durch den Priester in persona Christi den Sünder kraft göttlicher Vollmacht von seinen Sünden los: Er erteilt die Absolution. Hier genügt auch eine nur unvollkommene Reue (d. h. Reue aus Furcht vor Gottes Strafe) für die wirksame Wiederherstellung der Taufgnade. „
( http://de.wikipedia.org/wiki/Tods%C3%BCnde Stand 11.5.2013)
Ich habe mit gutem Grund diesen Artikel sehr ausführlich zitiert, verrät er doch ein mehr als fragwürdiges Konzept von Moral. Insbesondere die Frage was gut und böse ist, wird einer Art und Weise beantwortet, die mit meinen, auch christlich geprägten Wertvorstellung in keinster Weise vereinbar ist.
Aber der Reihe nach:
„…traditionell werden Ehebruch, Mord oder Apostasie (= Glaubensabfall) genannt.“. Der einzige Unterschied zu den Taliban, wenn sie die nächste Frau wegen Ehebruch steinigen, läge dann „traditionell“ einzig in der Frage, was der „wahre Glaube“ ist. Das ist ohne Zweifel eine Tradition, die wir in Ost und West so schnell wie möglich beenden müssen.
„Sünden entstehen nach der klassischen Theologie aus sieben schlechten Charaktereigenschaften: „ heisst es dann.
„Superbia
Hochmut (Eitelkeit, Stolz, Übermut)
Avaritia
Geiz (Habgier)
Luxuria
Wollust (Ausschweifung, Genusssucht, Begehren)
Ira
Zorn (Wut, Rachsucht)
Gula
Völlerei (Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht)
Invidia
Neid (Eifersucht, Missgunst)
Acedia
Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Trägheit des Herzens)“
Hier sitzt es wieder auf der Anklagebank, das böse Tier und verlangt nach „Wollust“.
Was aber ist daran böse, sexuelle Lust zu leben, solange Mann keine Frau zu etwas zwingt und erwachsene Männer kleine Jungs erst mal erwachsen werden lassen, bevor sie sie begehren ?
Ich bin aus der Pfalz und hier sind Gourmant und Gourrmet gleichermassen zu Hause. Die einen sind auf der Jagd nach den größten Leberknödeln und den Schnitzeln, die den Teller füllen und kennen jede Straußwirtschaft, die anderen pilgern nach Hayna oder anderen heiligen Orten der Kochkunst und lassen sich den Gaumen kitzeln. Manche, darunter auch ehemalige Bundeskanzler, bewegen sich in beiden Welten.
Wir sind ohne Zweifel ein Landstrich in dem die Völlerei große Wertschätzung genießt. Aber hausst hier auch das Böse, die „Wurzelsünde“ ?
Wenn man zuviel isst und trinkt kann man sich den Magen verderben und die Gesundheit ruinieren, aber dient man damit schon dem Bösen ?
Und so kann man alle 7 „Todsünden“ durchgehen: Hochmut und Stolz können zur Selbstüberschätzung führen, aber ist man deswegen böse ? Geiz und Sparsamkeit sind Geschwister d.h es geht hier eigentlich um das rechte Maß.
Ob Zorn gut oder böse ist, hat mehr damit zu tun, worüber man erzürnt.
Und Neid und Eifersucht sind ganz normale Reaktionen schon eines Kindes, das neidisch wird, wenn es glaubt, dass sein Geschwisterchen mehr geliebt wird.
Vollends daneben ist die Verdammung der Faulheit:
Unser Gehirn arbeitet wie unser Herz Tag und Nacht. Aber es arbeitet in verschiedenen Modi. Sobald wir tätig sind, kontrolliert es diese Tätigkeit. Wir bedürfen der Muse, d.h. wir müssen „faul“ daliegen, damit es in den Modus der Reflexion schalten kann.
D.h. diese „Faulheit“ ist die Voraussetzung für Kreativität.
Das ist die eine Art von „Faulheit“. Es gibt noch eine andere: Die Angst kann uns lähmen und dann tun wir nichts, weil wir uns fürchten (z.B. vor der Hölle).

Zwar hat die Kirche die Ketzer (die Katharer) mit Feuer und Schwert bekämpft, aber der Manichäismus, den jene predigten, die Spaltung des einen Menschen in ein gutes „Geistwesen“ und einen bösen „Leib“ ist ihr trotzdem tief eingeschrieben.
Es ist ein Übel, das sich schon vom ungewaschenen Plotin (und damit ist Heidentum auch nicht automatisch besser) und vom hochverehrten Augustinus herleitet.
Der Körper muss beherrscht, ja unterdrückt werden. Er ist das Böse.
Von diesem Standpunkt aus ist natürlich ein Anfall der Gipfel der Unbeherrschtheit und damit die Verkörperung des Bösen.
Zumal wenn es sich bei der Anneliese Michel vielleicht gar nicht um epileptische sondern um dissoziative Anfälle gehandelt haben sollte.
Wir aber bleiben weiter ohne eine irgendwie befriedigende Antwort auf die Frage: Was ist böse.
Um dieser Frage endlich näher zu kommen, wollen wir uns mit einem Satz befassen, der meiner Meinung nach so was ist wie der Hauptsatz jedweder Ethik, ähnlich elementar wie der Energieerhaltungssatz oder der 2.Hauptsatz der Thermodynamik:
„Was Du getan hast einem der geringsten meiner Brüder, das hast Du mir getan !“
Es ist übrigens bemerkenswert, wie wenig sich gerade die „traditionelle“ Theologie um solche Worte schert und stattdessen Lehrmeinungen aus dem 4-5 Jahrhundert als „maßgeblich“ wiederkäut.
Aber das ist ein innerchristliches Problem.
Warum ist dieser Satz so elementar ?
Weil irgendwann im Verlauf der Evolution die Fähigkeit entsteht „mit zu fühlen“.
Nachweisen kann man diese Fähigkeit bisher bei Primaten, bei einigen wenigen weiteren Säugetierarten, wie Elefanten und Delfinen, sowie bei Rabenvögeln und Papageien.
Zu fühlen, wie andere leiden oder sich freuen, versetzt uns überhaupt erst in die Lage zwischen „ich“ und „du“ respektive zwischen „mir“ und dem Rest der Welt zu unterscheiden. Zugleich verbindet es mich mit anderen, anderen Menschen und anderen Lebewesen.
Diese elementare Fähigkeit ist auch die Basis jeder Moral.
Wir sind gut, soweit diese unsere Fähigkeit fremden Schmerz zu fühlen, auch zu Konsequenzen führt. Wir hören auf gut zu sein, wenn uns dieser Schmerz nicht schert.
Natürlich können wir nicht immer nur gut sein, denn unsere Fähigkeit mit zu fühlen ist grenzenlos, unsere Fähigkeit Leid zu lindern nicht.
Es bleibt ein permanenter Überschuss an möglichem Mitleid.
Dass wir nicht immer gut sind, heisst aber noch nicht, dass wir deswegen schon böse werden.
Das Böse ist für uns das Leid und der Tod. Böse sind wir, sofern wir anderen Leid und Tod bringen.
Damit beginnen aber erst die Schwierigkeiten: Als Tier ernähren wir uns, in dem wir uns fremdes Leben einverleiben. Kein Huhn, kein Schwein, kein Rind, aber auch keine Karotte oder kein Salat lebt dafür, von uns verzehrt zu werden.
Freilich ist unsere Fähigkeit mit Salatköpfen zu leiden wenig entwickelt. Weit weniger als z.B. mit Hühnern.
Meine Großmutter war eine sehr fleißige, praktische Bauersfrau. Sie hatte sicher kein Problem einem Huhn den Kopf ab zu hacken, wenn es geschlachtet werden sollte. Schließlich hatte Gott der Herr die Hühner dafür geschaffen, dass sie für uns Eier legen und wenn sie alt werden noch zu einer guten, fetten Hühnersuppe taugen.
Als aber mein Cousin eine „moderne Massenhaltung“ mit 200 Hühnern begann, wurde sie sehr böse. Zwar hat Gott uns erlaubt Hühnern die Eier zu stehlen und ihnen, wenn die Zeit gekommen ist, den Kopf ab zu schlagen, damit aus ihnen Suppe wird, aber bis es soweit ist haben sie wie wir auch, das Recht auf ein anständiges, halbwegs gutes Leben.
So sah das meine Großmutter. Als Kind plapperte ich den Erwachsenen nach und erklärte meiner Großmutter, dass sie die neuen, modernen Zeiten nicht verstehe. Heute weiß ich, das ich es war, der Entscheidendes nicht verstanden hatte.
Leben ist Werden und Vergehen. „Ewiges Leben“ kann es nicht geben, weil, wenn wir ewig wären, das Leben selbst irgendwann zum Stillstand kommen müsste.
Deswegen gibt es kein Leben ohne Tod und ohne seinen ständigen Begleiter, das Leid.
So unrealistisch es wäre Leid und Tod abschaffen zu wollen, so sehr entspricht es andererseits unserem angeborenen Wesen mitleiden zu können, dass wir versuchen sollten das Ausmaß an Leid und Tod zu verringern.
Das ist sicher eine Tandalos-Aufgabe, aber eine, die uns erst zu wirklichen Menschen macht.
Neben dem Tod, der zum Leben gehört, gibt es noch den Tod, der allem Leben feindlich ist. Nicht die bedingte Negation, sondern die unbedingte.
Dieser Tod ist das absolut Böse, vor dem wir uns fürchten müssen.

Von der Würde des Menschen …..

„Die Würde des Menschen ist unantastbar…“ heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Jene, die diesen Satz bewußt an den Anfang, an die erste Stelle setzten, wussten sehr gut wie leicht und wie einfach man jeden Menschen seiner Würde und am Ende auch seines Lebens berauben kann.
Deswegen repräsentiert dieser Satz auch keine ewige Wahrheit, sondern eine durch unermessliches Leid verbürgte historische Erfahrung.
Aber gerade weil der Preis für diese Erkenntnis so hoch war, müssen wir sie um so entschiedener verteidigen.
Ich kann niemand verbieten an die Existenz von Engeln, Teufeln oder welchen Gespenstern und Geistern auch immer zu glauben. Das mag jeder halten, wie er will.
Wer aber behauptet sein Mitmensch sei vom Teufel besessen, überschreitet eine Grenze.
Eine Grenze jenseits derer die Würde dieses so verunglimpften Menschen tot getrampelt wird. Und so wenig es mir das Gesetz erlaubt solange auf einen am Boden liegenden Menschen einzutreten, bis er zu atmen aufhört, so wenig ist es mir erlaubt, diesem Menschen seine Würde zu rauben.
Mord ist nicht nur die böse Tat. Mord kann auch schon die Verleumdung sein, die zur bösen Tat führt.
Angeblich hebt uns zu wissen was Gut und Böse ist auf eine Stufe mit Gott.
Moral ist deswegen ein schwieriges, auch intellektuell anspruchsvolles Thema.
Ausgangspunkt jeder wie immer gearteten Moral kann aber nur der Respekt vor dem Anderen sein. Und deswegen ist es von Grund auf unmoralisch diesen oder diese Andere mit dem Bösen in eins zu setzen.
Wir alle sind böser und schlimmer Taten fähig.
Aber auch der verkommenste Massenmörder bleibt immer noch ein Mensch wie wir.
Es geht dabei nicht um Weichheit und Nachgiebigkeit. Im Gegenteil: Wir müssen sehr entschieden und unbeugsam sein, wenn irgendeiner kommt und seine Mitmenschen auf gut (meistens er selber) und böse (immer die anderen) reduziert.
Dass die französische Revolution den Bürger Capet wie alle anderen Bürger und Bürgerinnen behandelte, war kein Verbrechen.
Dass sie im Namen der Menschlichkeit Köpfe in Weidenkörbe purzeln lies, war dagegen sehr wohl ein abscheuliches Verbrechen.
Jeder gefallene Kopf, auch der des Bürgers Capet, war ein Anschlag auf die Menschenwürde.
Selbstzufriedene Gläubige aller Richtungen, die sicher zu wissen glauben, wer gut und wer böse ist, verkörpern die Pervertierung jedweder Moral.
Moral, so sie den Namen verdient, weiß immer nur was gut und böse ist.
Die Frage wer gut und böse ist, ist dagegen prinzipiell unmoralisch, vor allem wenn man glaubt die Bösen vernichten zu dürfen.
Der Tod der Anneliese Michel – kein bedauerlicher Zwischenfall
Wir haben nun das paradoxe Resultat, dass ausgerechnet die, die behaupten die Macht zu haben das Böse zu erkennen und zu vergeben, mit ihrer Teufelsaustreibung selbst zu Werkzeugen des Bösen wurden und damit für den Tod der Anneliese Michel voll verantwortlich sind.
Ihre Rechtfertigungen, die zugleich Rechtfertigungen des Exorzismus sind, sind leer und hohl. Vor allem ihr Vorwurf an die Mitwelt, dass diese das Böse und seine Macht verkennt, verdeckt nur, wie problematisch ihr eigener Begriff vom Bösen ist.
Wer „Ehebruch“ mit Mord auf eine Stufe stellt und von Völkermord nichts weiss, soll aufhören uns über Moral belehren zu wollen.
Die einerseits persische und andererseits platonische Tradition den „Geist“ vom „Körper“ zu scheiden, ist die Quelle zahlreicher Irrtümer und dadurch verursachten Leids.
Der Herrschaftsanspruch des Geistes über den Leib wird dementiert durch jeden Anfall.
Wir müssen dieses Dementi ernst nehmen.

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